Alltag im Amazonas
- Madeleine Schauer
- 22. Juni 2024
- 9 Min. Lesezeit
Tag 295 - Wochenstart am Sonn-Montag
Der morgendliche Spaziergang durch die Natur - egal wie müde man noch ist - ist doch irgendwie jeden Tag eine kleine Belohnung. Wenn morgens der Wald erwacht, die ersten Vögel zwitschern und kreischen und die Luft noch angenehm kühl ist, möchte man am liebsten stehen bleiben und einfach lauschen. Nur die vielen Spinnweben auf dem Weg durch den Dschungel, die man meistens mit dem Gesicht einsammelt, die müssten nicht sein. ;-)
Während der morgendlichen Arbeit mit den Gatitos durfte ich dann zum ersten Mal Bekanntschaft mit Feuerameisen machen und kann sagen - muss man nicht erlebt haben. :-(
Als Entschädigung durfte ich mir aber später French Toast mit Banane und Dulce de Leche gönnen, da war der Schmerz schon fast vergessen. :-)

Auch mein zweiter Spaziergang mit Maggie verlief erfolgreich, ohne dass sie einen von uns überwältigen konnte. Im Anschluss bin ich mit der Machete losgezogen. Nicht etwa, um mich gegen wilde Jaguare zur Wehr zu stellen, sondern um mich gegen die geballte Pflanzenpracht in Kopfhöhe zu wehren, welche mir beim Spaziergang aufgefallen ist. Nun müssen wir uns nicht mehr wegducken und können die ganze Zeit unsere Augen auf Maggie haben. Da ich die Machete einmal in der Hand hatte bin ich anschließend noch durch ihr Gehege marschiert und habe sichergestellt, dass es auf allen Seiten ca. einen Meter Abstand zwischen den Gittern und den nächstgelegenen Pflanzen gibt. Einerseits mag sie es, uns außen zu begleiten, wenn wir um ihr Gehege laufen, andererseits schützt diese pflanzenfreie Zone die Gehege vor Waldbränden. Regelmäßig unterbrochen wurde ich, da Maggie heute sehr verschmust war. Gekrault wird aber natürlich immer nur durchs Gitter.
Im Laufe des Vormittags ist dann auch Peanuts Tipi fertig geworden. Allerdings wurde ich bei jedem Rascheln im Gebüsch etwas paranoid - immerhin weiß ich jetzt, wie leise sich Pumas anschleichen können.
Der Nachmittag hatte es dann ganz schön in sich! In Vorbereitung auf den ersten Spaziergang mit Gaia haben wir einen Teil ihres Trails freigelegt, damit man dort wieder ohne Stolperfallen laufen kann. Aber ganz wie Marvin schon sagte: Den Regenwald kehren ist quasi hoffnungslos, es wird in einigen Tagen wieder genauso aussehen.
Am heutigen Nachmittag hat sich bestätigt, dass die Arbeit mit Marley wohl etwas schwieriger werden könnte. Sie wollte heute ihr Gehege gar nicht erst verlassen, geschweige denn laufen gehen. Wir haben uns also andere Beschäftigungen gesucht. Auf Marley’s Wegen liegen nun mal auch noch eine Menge Blätter.

Woran man sich im Regenwald leider gewöhnen muss, sind tausende fiese Stiche und Bisse von wer weiß. Mücken sind das Eine, aber die gemeinen gelben Fliegen hinterlassen Bisse, die auf Handtellergröße anschwellen, das muss dann doch nicht sein. Auch Fliegenschwärme und gigantische Käfer in der Küche gehören irgendwie zum Leben dazu, ob man will oder nicht. ;-)
Ein kleines Buschfeuer hat heute noch für Aufregung gesorgt, denn Feuer bedrohen nicht nur das Camp, sondern den ganzen Wald. Glücklicherweise war es nur ein brennender Baumstamm, der mit Wasser und einer kleinen Feuerschneise in Schach gehalten wurde. Der abendliche Regen reichte leider nur für nasse Wäsche auf der Leine, nicht für ein gelöschtes Feuer.
Tag 296 - Katzentraining
Endlich sollte es weitergehen mit meinem Training bei den Gatitos, sodass ich heute Morgen mit der kleinen Boudica unterwegs war. Sie ist wirklich ein nervöses Fräulein, braucht immer ihren Bruder Beo in der Nähe und will am liebsten an der ersten Gabelung wieder nach Hause laufen. Letztendlich wurde es aber dann doch mit gutem Zureden eine größere Runde. :-)

Peanut hat ein frisch gebuddeltes Loch bekommen, das er ganz offensichtlich super spannend findet. :-) Und eine Herde Affen hat es heute wirklich schwierig gemacht, sich zu konzentrieren - alle paar Sekunden raschelt es irgendwo, man ist auf alles gefasst und dann ist es doch nur ein kleiner Strolch in den Bäumen. ;-)
Heute war wohl mein letzter Trainingstag mit Maggie. Ab morgen geht es dann ganz normal ohne Aufpasser weiter. Die Arbeit mit Maggie gefällt mir mit jedem Tag mehr. Vielleicht fällt mir aber auch einfach nur auf wie viel einfacher es ist, als mit Marley.
Den Nachmittag haben wir ganz einem Spaziergang mit Gaia gewidmet, für mich der erste mit ihr und daher extrem aufregend! Spannend zu sehen, wie anders die Persönlichkeit einer Großkatze ist, wenn sie außerhalb des Geheges unterwegs ist. Dank der Seile sind auch alle unverletzt nach zwei Stunden wieder am Käfig angekommen und wir waren sehr stolz auf ihr gutes Benehmen. :-)
Der heutige Nachmittag mit Marley war der bisher Beste. Sie hat uns zwar anfangs etwas warten lassen, aber dann nach ca. einer Stunde vergeblicher Mühe, hat sie sich dazu bereit erklärt, an den so genannten „Runner“ zu gehen. So wird ein langes hochgespanntes Seil genannt, wo man das Tier mit der Leine befestigen kann, damit es sich außerhalb des Geheges in einem gewissen Rahmen frei bewegen kann, ohne dass man mit ihm Spazieren gehen muss. Als sie da draußen war haben wir mithilfe eines zum Spielzeug umgebauten Palmenblattes mit ihr gespielt. Im Endeffekt sind Pumas halt doch nur große Katzen.

In Aussicht auf kommende Buschfeuer hatten wir noch eine abendliche Weiterbildung zum Thema Brandbekämpfung - dank Sachspenden gibt es auch Schutzkleidung und Ausrüstung im Camp. :-)
Tag 297 - Wochen-Halbzeit
Meine letzte morgendliche Trainingssession mit Mariano stand an! Es war aber eher ein gemütlicher Bummel durch den Wald, der alte Herr ist da gemächlich unterwegs. ;-)
Obwohl wir heute ohne Supervisor unterwegs waren hat es sich auch nicht großartig anders angefühlt als sonst. Das heißt dann wohl, dass ich gut eingearbeitet wurde. Maggie war heute recht ruhig drauf, sie hat sich recht häufig und lang hingelegt. Normalerweise ist sie etwas mehr auf den Beinen. Morgen werden wir versuchen, eine etwas größere Runde mit ihr zu laufen.
Leider sind unsere Kiwis und Bananen für das Frühstück von Anfang an recht weich gewesen. Spätestens heute haben das auch die Fliegen bemerkt. Wir benötigen also entweder eine andere Obst-Strategie oder am nächsten Samstag ein glücklicheres Händchen beim Einkauf.

Gerade noch selbst im Training und plötzlich ist man selbst diejenige, die Dinge erklärt - Zeit rast schon wieder! Übermotiviert habe ich gemeinsam mit meiner neuen Begleitung angefangen, sowohl einen Tunnel für Peanut zu graben als auch an der quasi nicht vorhandenen Feuerschneise zu arbeiten. Da war Erschöpfung vorprogrammiert.
Die Arbeit mit Marley stellt sich echt als ziemlich große Hürde heraus. Als Vergleich: Wenn man bei Maggie alles richtig macht, bekommt man das auch zu spüren und hat eine tolle Zeit. Wenn man bei Marley alles richtig macht, kann es sein, dass alles vergebens ist, da sie dich einfach nicht mag. Der heutige Nachmittag lässt leider letzteres vermuten. Ich bin sehr gespannt mit welchen Lösungsstrategien die Verantwortlichen auf mich zu kommen werden.
Nachmittags war ich also schon echt erledigt und von den vielen Schritten mit Gummistiefeln sind die Füße allmählich auch echt kaputt. Leider fehlte dann ein bisschen die Kraft für Gaia. Immerhin konnten wir einen neuen Trail via GPS tracken, damit es endlich eine aktuelle Karte von allen Wegen gibt.
Tag 298 - Raus aus dem Wald
Da das Training jetzt abgeschlossen ist, konnte ich zum ersten Mal alleine mit einer Mini-Mietz laufen. Auch wenn Boudica wie erwartet den schnellstmöglichen Weg nach Hause gewählt hat - immerhin für pünktliches Frühstück ist dadurch gesorgt. ;-)
Die Mission Tunnelbau ist fortgeschritten, leider sind wir beim Graben aber auf eine Wurzel gestoßen, die NOCH tieferes Graben nötig macht... So bleiben wir wenigstens beschäftigt! Um heute die Überanstrengung zu vermeiden, haben wir auf weitere Großprojekte verzichtet.
Ein weiterer toller Vormittag mit Maggie. Natürlich hat sie kurz vor der Abzweigung zur großen Runde, welche wir uns vorgenommen hatten, die Fährte eines wilden Coatis aufgenommen, welches sich leider in der falschen Richtung im Dickicht versteckte. Keine große Runde also… Aber beim Jagen möchte man ein Puma nun wirklich nicht stören. Es ist ja schon schlimm genug, dass wir nur vergleichsweise langsam hinterherrennen können, wenn sie loslegt. Also hat sie kurz gemeckert, dass wir schuld sind an ihrem Misserfolg und dann ging es ruhig weiter bis nach Hause.
Gaia hat ihr Futter heute besonders schön verpackt bekommen: Mit Lianen umwickelt sahen die Futterpäckchen doch tatsächlich aus wie Geschenke und Weihnachtsbaumkugeln. ;-)
Versuch Nummer 1 mit Marley: Laufen gehen ohne mich. Scheint leider geglückt zu sein. Dementsprechend war ich heute nicht bei Marley eingeteilt und bin stattdessen für eine Stunde zurück zu Maggie gegangen. Wie zu erwarten war hatte ich erneut eine tolle Zeit bei ihr. Morgen geht es für mich dann wieder zu Marley. Mal sehen wie das wird.
Jeden Mittwoch wird auswärts gegessen (außer letzte Woche, da gab's die Erdnussnudeln von den Freiwilligen). Mit dem großen Taxi sind wir alle in den Nachbarort Cerro Grande gefahren. Nach einer halben Ewigkeit kam dann auch endlich das schon nachmittags vorbestellte (!) Essen und wir konnten uns Pizza, Burger, Burritos und Maracujasaft schmecken lassen. :-) Voll gestopft kamen wir dann relativ spät zurück.
Tag 299 - Katzen-Bespaßung
Es gibt Tage, da hat man einfach keinen Bock - so ging es zumindest der Katze Mariano. Beim morgendlichen Spaziergang entschied er sich, einfach eine Stunde auf einem Fleck sitzen zu bleiben und alles um sich herum zu ignorieren. Mein Schrittzähler und die müden Füße freuten sich, denn so wurden es heute mal weniger als 12 Kilometer. ;-)
Wow, wir wollten eine große Runde und heute haben wir die auch bekommen. Sonst sind wir immer knapp eine Stunde unterwegs. Heute waren es 2:40 Stunden. Sie hat sogar von sich aus an einigen Kreuzungen die längere Route gewählt nachdem wir sie einmal davon überzeugt hatten, dass heute viel gelaufen wird. Zwischendurch standen wir auch eine ganze Weile an einer Stelle und haben darauf gewartet, dass ein paar Affen einen Fehler machen und vom Baum fallen, ist nicht passiert. So hatten Sam und ich viel Zeit uns über Musik zu unterhalten. Scheinbar kommen morgen neue Paul McCartney Tickets auf den Markt. Wir waren heute so lang unterwegs, dass gar keine Zeit mehr fürs Harken übrig war, schade… Nicht… Scheinbar wird Maggie heute Nachmittag auch nochmal Besuch bekommen, leider aber nicht von mir. Ich versuche mich heute mit Marley zu versöhnen.

Peanuts Tunnelmission ist quasi abgeschlossen und hat uns wirklich viel Schweiß und Nerven gekostet. Mittlerweile passt ein Fuchs auf jeden Fall rein, nur der Schwanz schaut hinten noch raus. ;-) Sein Nachbar, die Schildkröte Sheldon ist neuerdings allerdings verschwunden. Dabei hatten wir extra eine Zeckenzange mit, um ihn von dieser Biester zu befreien.
Versuch Nummer 2 mit Marley: Nur ich ohne „bessere Alternative“. Damit wir beide gaaanz viel Zeit haben, um uns auf einander einzustellen. Sie war zwar nicht wirklich zum Kraulen bereit, aber immerhin hat sie sich in der ersten Stunde irgendwann von sich aus in meine Nähe gesetzt und da saßen wir dann beide im Dschungel. Sie im Gehege, ich direkt am Gitter. Als sie sich im Anschluss in die weit möglichst entfernte Ecke ihres Geheges verzog und ich kurze Zeit später folgte, fand sie das wohl nicht so fein und fauchte mich ausdrücklich an. Immerhin das einzige Mal heute. Ich gab ihr also etwas Zeit für sich und machte mich mit Machete und Harke an ihren Laufweg. Als ich wiederkam war sie wieder etwas aufgetaut und bald war dann auch schon Essenszeit. Vielleicht mag sie mich ja etwas mehr, wenn sie versteht, dass von mir das Essen kommt.
Gaia hat wieder in Vorbereitung auf den nächsten Spaziergang einen frisch geputzten Trail bekommen - störendem menschlichem Geraschel hinter ihr kann somut gut vorgebeugt werden. ;-) Einen lange vermissten Knochen haben wir dank des wirklich unschönen Geruchs nach mehreren Tagen Suche endlich gefunden - die Katzennase wird sich freuen. :-)

Froh, den heutigen Abend wieder im Camp verbringen zu können, haben sich einige zur ein paar Runden UNO versammelt. Die Regeln waren wie immer DER Grund für Diskussionen, aber das gehört ja irgendwie zum Spiel dazu. ;-)
Tag 300 - 🥳🥳🥳
Ein schwerer Tag für alle im Camp, denn es steht der Abschied von drei Langzeit-Freiwilligen bevor. Vieles wird anders werden, wenn unser Admin Luciano nach zwei Jahren das Camp verlässt. Die ein oder andere Träne ist bei seinen emotionalen Worten dann doch getropft. Dieser Ort verändert Menschen - wir müssen mit dem absolut Nötigsten zurecht kommen, sind den ganzen Tag auf den Beinen für Wesen, die sich uns nicht mal mitteilen können, sind müde oder völlig verschwitzt - und trotzdem glücklich, weil es eine einmalige Erfahrung ist, hier im Regenwald zu leben und dazu zu gehören ! :-)
Es ist wahrhaft Balsam für die Seele, ein paar Stunden in der Woche allein im Wald zu sein und einem kleinen Fuchs beim Entdecken zuzuschauen. :-) Endlich hat man mal Zeit zum Nachdenken und kann ganz bewusst den wunderschönen Wald wahrnehmen.

Sheldon ist wieder da und um zwei dicke Zecken erleichtert - ist bei Schildkröten gar nicht so einfach, wenn alles im Panzer verschwinden kann.
Heute wurde schon wieder der Nächste eingelernt bei Maggie. Ich bin dann jetzt wohl der erfahrene Maggie-Flüsterer, welcher den Neuen Tipps geben kann. Sie hat sich aber auch von ihrer besten Seite gezeigt, sprich niemanden angesprungen.
Mein erster Spaziergang mit Gaia war ein voller Erfolg! Keine Sprünge, ein recht entspanntes Puma und keine Kritik vonseiten unserer Katzen-Koordinatorin. :-) So kann's doch weitergehen!
Ich war erneut allein mit Marley und heute hat sie mir leider wieder gezeigt, dass es wohl sehr schwierig zwischen uns werden wird. Eventuell werde ich sie abgeben müssen.
Freitagabend ist Café-Nacht! Aufgrund des Abschieds von unseren Langzeit-Freiwilligen gab's ein Pubquiz und einen recht langen Abend, aber wir können ja morgen (fast) alle ausschlafen! :-)
Heute ist auch ein guter Tag, um so manches Revue passieren zu lassen. Einen Tag 365 wird es nicht geben, umso wichtiger ist der Tag 300! Am Anfang hatten wir keine klare Vorstellung, wo wir diesen Tag feiern würden und welche Geschichten wir bis dahin schon gesammelt haben werden.
Tag 100 war irgendwann in Elands, da hatten wir immerhin schon zwei Länder gesehen, lebten den australischen Farmtraum und waren somit bereits das zweite Mal "sesshaft".
In den darauffolgenden 100 Tagen haben wir Australien verlassen und waren dann im absoluten Backpacker-Modus. Wir haben uns durch Singapur, Malaysia und Thailand geschlagen, bis wir dann an Tag 200 auf Koh Chang waren und fast gleichzeitig auch sechs Monate Weltreise und unseren achten Jahrestag gefeiert haben.
Und dann folgten die letzten 100 Tage bis zum heutigen Tag 300: sechs Länder, vier Kontinente, Temperaturen von - 5 bis 47 Grad, Höhen von 0 bis 5000 Meter und viele viele spektakulär schöne Momente.
323 Tage wird es geben, die Uhr tickt also. Aber welcher Ort könnte besser sein zum Abschied nehmen von dieser Reise als der Amazonas? :-)
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